Die spanischen Eroberer zeigten wenig Interesse an der Eroberung, Unterwerfung und Ausbeutung dieses heißen, windumbrausten Landstriches am nördlichsten Punkt Südamerikas. Auf der Halbinsel der Guajira wird es immer trockener, im äußersten Norden findet man eine echte Wüste, die mittels riesigen Sanddünen im karibischen Meer endet. Kakteen und zähes Dorngestrüpp erinnern mehr an die großen Wüsten Arabiens als an die karibischen Tropen.
In der Guajira strandete in den
1930er Jahren einst Henri Charrière, Protagonist des weltberühmten Werkes
„Papillon“, der als zum Mord im Französisch Guayana Verurteilter, per Boot floh
und in der Guajira landete. 7 Monate soll er dort unter den Wayuu gelebt und
nach Perlen getaucht haben.
Die Wayuu, die indigene
Bevölkerung der Guajira, verwalten in viele Klans unterteilt, große Teile des
Departments autonom. Die Stradt Uribia nennt sich selbstbewusst die „indigene
Hauptstadt Kolumbiens“. Hier und auf venezolanischer Seite sollen bis zu ca.
500.000 Wayuu leben. Freundliche Menschen, in teilweiser farbenfroher
traditionaller Tracht, bringen uns das ein oder andere Wort in Wayuunaiki, der
Sprache der Wayuu, bei. Auf einer traditionellen Ranchería erfahren wir mehr
über Leben und Zusammenleben der Wayuu und werden zum „Friche“, der
traditionellen Kost der Wayuu, eingeladen.
Kinder erheben auf dem Weg in die
Alta Guajira, den nördlichen Teil der Guajira, Wegzoll. Ein paar Süßigkeiten
und eine Flasche Wasser ermöglichen uns die Weiterfahrt. Wir bewegen uns auf
Sandpisten fort. Ohne einen Kenner der Region verliert man sich schnell in der
Weite der Wüste wobei die vielerorts auftretenden Fata Morganas die
Orientierung erschweren. Beeindruckend erstreckt sich die 150 km lang und
einzig und allein für die größte Steinkohletagebaumine der Welt gebaute
Eisenbahnlinie durch das karge Land. Tag und Nacht rollen endlose Waggons in
zum Hafen Puerto Bolivar, um den fossilen Energieträger in alle Welt zu
exportieren. 60% des Bruttoinlandsproduktes des Departamentos La Guajira soll
der Kohleexport ausmachen, 10000 lokale Beschäftigte finden dort ihren
Arbeitsplatz, eine gigantische Abhängigkeit. Wenn El Cerrejon seine Förderung
einstellt, stehen in der Region drastische Umbrüche bevor. Das Department gilt
im kolumbianischen Vergleich als arm. In Punta Gallinas, dem nördlichsten Punkt
Südamerikas spreche ich mit einer Zahnärztin, die gerade dabei ist die dort
lebenden Kinder zu untersuchen. „Viele Kinder der Guajira befinden sich in
keinem körperlich guten Zustand, das sieht man unter anderem an ihren Zähnen.“
Ich sehe Kinder mit hell verfärbten Haarspitzen, was Zeichen einer einseitigen
Ernährung sein kann. Am Kohleexporthafen von Puerto Bolivar sollen in den
vergangenen 30 Jahren 600 Mio. Tonnen exportiert worden sein. Was bleibt vom
erwirtschafteten Geld für die lokalen Gemeinden? Wer profitiert vom
gigantischen Umsatz? Was kann der „nachhaltige Tourismus“ in der Region
bewirken? Kann er die Lebensumstände der Menschen verbessern?
Die Bevölkerung sucht sich andere
attraktive Wirtschaftsfelder: Der florierende Handel mit illegalem Handel mit
venezolanischem Benzin ermöglicht der lokalen Bevölkerung ein zusätzliches
Einkommen. Auf über 200 traditionellen Schmugglerrouten soll das Benzin auf dem
Landweg in improvisierten Tanklastern über die Grenze gebracht werden. Am
Wegesrand wird das Schmugglergut verkauft, hin und wieder sieht man eine
ausgebrannte Tankstelle, das vielerorts auslaufende und in den Erdboden
einsickernde Benzin gilt als normal. Die offiziellen Tankstellen haben allesamt
geschlossen, die Schattenwirtschaft wird weitgehend geduldet.
An der Küste erkennen wir von
weitem 15 gigantische Windräder, regenerative Energie für die Guajira. Der
beständige, das gesamte Jahr über einfallende Passatwind macht die Guajira zu
einem perfekten Standort dieser Energieproduktion. Bunte Plastiktüten werden
von den starken Böen in die Dornsträucher getragen und bewegen sich im Wind.
Man könnte mancherorts fast meinen, dass ein Künstler seiner Kreativität freien
Lauf ließ.
La Guajira ... ein extrem
spannendes Gesicht Kolumbiens, nur leider sind einige wenige Tage zu wenig
Zeit, um dem Besucher einen tieferen Einblick in das Leben der Wayuu zu
verschaffen.
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